Die erste Tour
Nun ist es also so weit: meine erste Tour! Die erste seit über 25 Jahren und die erste in dieser Form überhaupt. Lange Vorbereitungen? Gab es kaum. Außer der Vorfreude in meinem Kopf war nicht viel zu tun.
Ich hatte nur eine einzige Vorgabe an mich selbst: Fünf Tage Urlaub, die nicht mehr kosten als eine normale Woche zu Hause.

Ausrüstung habe ich reichlich: einen Mini-Van, eine 450-Liter-Dachbox und Berge von Camping- und Outdoor-Kram. Lebensmittel waren schnell besorgt – und nein, es sind nicht nur Konserven und Dosenravioli. Ich will mich, passend zu meiner Diabetes, gesund ernähren. Für die ersten Tage habe ich frisches Gemüse und Obst eingepackt: Paprika, Äpfel, Zwiebeln, Gurken. Zum Frühstück gibt’s Haferflocken und Sonnenblumenkerne, für zwischendurch Körnerbrot mit Avocado.
Eine neue Gaskartusche kam noch dazu, und weil unsere elektrische Kühlbox überraschend den Geist aufgegeben hat, bin ich mit einer simplen Kühlbox plus Kühlakkus unterwegs. Mal sehen, wie lange das durchhält.
Schlafmöglichkeiten habe ich gleich drei:
- eine Luftmatratze im Auto
- ein Ein-Mann-Zelt
eine Hängematte mit Moskitonetz
Ich hoffe, alle drei ausprobieren zu können. Das Wetter jedenfalls spielt mit.
Den Rest spare ich mir – Messer, Multitool, Erste-Hilfe-Set, Draht, Seil, Powerbanks, Kocher… der übliche Kleinkram eben.
Die wichtigste Frage war ohnehin: Wohin soll es gehen?
Als ich heute Morgen losfuhr und erstmal zur Tankstelle rollte, hatte ich keine Ahnung. Im Kopf schwirrten Ziele wie die Öresundbrücke, Paris, London über den Eurotunnel, die Alpen, Prag – und die Nordsee.
Sehr früh setzte sich das Gefühl durch, nach Norddeich zu fahren. Wir waren vor ein paar Wochen schon hier, und ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass da noch etwas offen ist. Trotzdem dachte ich an der Tankstelle plötzlich: „Komm, fahr nach Prag!“ Meine Abschlussfahrt ging vor 32 Jahren dorthin – und Prag ist nun mal wunderschön.
Es passierte also genau das, was ich mir gewünscht hatte: keine Planung, nur dem Bauch folgen. Ich gab Prag ins Navi ein, fuhr los – und keine 200 Meter vor der Autobahnauffahrt änderte ich den Plan. Das Gefühl für die Nordsee war stärker. Ich hörte auf meine innere Stimme, drehte ab Richtung Norden.

Elf Stunden später sitze ich hier in Greetsiel, völlig entspannt, mit einem Kaffee in der Hand. Hinter mir eine lange Fahrt, inklusive Stau und einer Schlafpause im Auto – der erste Test. Vor mir die Seeluft, Möwen, die Sonne im Untergang. Alles fühlt sich verdammt richtig an.
In den letzten Tagen habe ich oft über meine Krebserkrankung gesprochen – zwangsläufig. Die Diagnose ist frisch, viele wissen noch wenig oder gar nichts. Aber ich merke, dass ich keine Lust habe, sie immer wieder durchzukauen.
Diese Krankheit ist jetzt ein Teil von mir. Punkt. Vielleicht bringt sie mich eines Tages um, vielleicht auch nicht. Wer weiß das schon? Heute jedenfalls lebe ich. Heute sitze ich hier, allein, den ganzen Tag allein, und nicht ein einziger Gedanke kreiste um Krebs. Selbst jetzt, da ich darüber schreibe, ist da keine Bitterkeit. Im Gegenteil: ich empfinde Dankbarkeit.
Bisher hat mir die Krankheit mehr geschenkt als genommen. Sie hat mir klar gemacht, wie wertvoll dieses Leben ist.
Eines Tages wird es enden – wie jedes Leben endet. Wann, wo, wie? Keine Ahnung. Aber mit hängendem Kopf aufs Ende zu warten? Das war nie mein Ding. Entscheidend ist nicht, wie es beginnt oder wie es endet, sondern was wir dazwischen tun.
Und ich will es spüren. Ich will es leben. In Ruhe und im Extrem. Laut und leise. Hart und sanft. Schwarzweiß und bunt. Es darf sich gut anfühlen, und es darf weh tun.

Diese Reise ist der Beginn eines neuen Abschnitts. Sie ist mehr als ein Urlaub – sie ist eine Notwendigkeit. Denn wenn du einmal weißt, was du wirklich willst, gibt es kein Zurück.
Vor mir liegt kein neuer Tag. Es ist wieder ein Tag weniger. Was auch immer ich tun will – gesund oder krank – ich muss es jetzt tun. Vergangenheit ist vorbei, Zukunft nicht vorhersehbar. Aber das Jetzt? Das Jetzt kann gelebt werden.