Oktober 10

Ich hätte es nie freiwillig gewählt – und bin trotzdem dankbar

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Wenn das Leben dich anschiebt

Ich war heute bei meiner Hämatologin – zur ersten Kontrolluntersuchung nach der Diagnose Multiples Myelom.

Ich saß im Wartezimmer, ruhig, gefasst, und wusste: Ich habe keinen Grund zur Angst. Es geht mir körperlich nicht schlechter. Ich bewege mich, trainiere, atme, lebe. Und genau das zeigte sich auch in den Werten. Die Ärztin sah mich an und sagte einen Satz, den ich so schnell nicht vergessen werde:

„Ich glaube nicht, dass Sie den Krebstod sterben werden.“

Ein Satz, der gleichzeitig Boden unter den Füßen und Rückenwind ist. Mein Leichtketten-Quotient ist von 51 auf 34 gesunken, der M-Wert ist ebenfalls gesunken. Das bedeutet nicht, dass ich geheilt bin – aber es zeigt: Der Krebs ist ruhig, stabil. Ich bin stabil. Und ich kann etwas tun. Ich habe mein Schicksal in meinen Händen. In den gleichen Grenzen, wie jeder von uns.

Kein Kampf – ein Leben mit dem Krebs

Flasche Talisker Port Ruighe Single Malt Scotch Whisky mit gefülltem Glas auf einem Tisch, stimmungsvoll beleuchtet – Symbol für Achtsamkeit, Genuss und Dankbarkeit im Leben mit Krebs.

Ein Single Malt aus Schottland, genossen an einem Abend voller Erkenntnis und Ruhe.

Ich habe ihr gesagt, was ich auch in meinem Blog geschrieben habe:

„Der Krebs hat mir bisher mehr gegeben, als genommen.“

Das ist kein Satz für eine Tasse mit Lebensweisheiten – das ist meine Realität. Seit dieser Diagnose lebe ich bewusster, freier, mutiger, entschlossener. Ich führe keinen Kampf gegen den Krebs. Ich führe ein Leben mit ihm. Und dieser Unterschied ist alles. Er macht aus einer Horror-Diagnose ein ganz besonderes Geschenk. Meine Ärztin sah mich an, als sie das hörte – und ich spürte, dass sie verstand.

In den letzten Wochen habe ich so viel Resonanz auf meinen Blog, auf die Zeitungsartikel, die Social-Media-Kanäle bekommen, die mir klar machen, dass ich offenbar anders mit meinem Schicksal umgehe.

Vielleicht, weil die meisten in der Krankheit den Feind sehen. Mir ist es ein wenig unangenehm so wahrgenommen zu werden, weil es für mich völlig normal ist, Herausforderungen so anzugehen.

Ich sehe in Herausforderungen den Lehrer, der mich auf das nächste Level bringt. Nicht den Schulhofschläger, der mich zu Fall bringen will.

Die Alpenüberquerung – und der Moment, in dem sie mir glaubte

Im Gespräch erwähnte ich meine Pläne für das nächste Jahr: eine Alpenüberquerung auf dem E5, von Oberstdorf nach Meran. Ich sagte:

„Nach der Schneeschmelze und vor dem Neuschnee.“

Und in dem Moment, als ich das sagte, veränderte sich etwas in ihrem Blick. Sie verstand, dass ich es ernst meine.

Dass das kein Traum ist, sondern ein Plan.

Dass ich die Strecke studiere, die Jahreszeit einschätzen kann, dass ich lebe, nicht fliehe. Sie nahm mich plötzlich anders wahr – nicht als „Patienten mit Zielen“, sondern als Menschen auf seinem Weg.

Ab da war das Gespräch ein anderes: offener, echter, gleichberechtigt. Ich schätze meine Hämatologin sehr. Ich glaube sie ahnt nicht, wie sehr. Sie ist offen zu mir. Ehrlich. Ich brauche Menschen wie sie um mich herum. Sie geben mir Halt und Zuversicht.

Wenn der Arschtritt vom Universum kommt

Ich weiß nicht, ob es jedem so geht – aber ich kann meine kindliche Vorstellung von Gott nicht ganz ablegen. Dieser alte, weise Mann mit Bart, den man als Kind suggeriert bekommt. Und manchmal denke ich, genau dieser „Gott“ hat mir den Arschtritt verpasst, den ich gebraucht habe.

Ich habe so viele Jahre Ausreden gefunden, nicht das zu tun, was ich eigentlich wollte. Ich hatte Träume, Ideen, Pläne – und habe sie aufgeschoben. Immer wieder. Ich wurde mit einem silbernen Löffel im Mund geboren und versank in Bequemlichkeit. Ich wusste aber immer, dass ich aus mir selbst heraus ein „großer Mann“ sein wollte (im Sinne von: „Ich schaffe mir meine eigenen Erfolge. Ich will nichts geschenkt!“)

Bis das Leben mir sagte: „Jetzt reicht’s. Beweg dich.“

Seitdem gehe ich. Noch zaghaft, manchmal müde, oft mit Schmerzen – aber ich gehe.

Immer schneller. Immer sicherer. Immer mutiger. Immer entschlossener.

Der Sinn im Unsinn

Vielleicht ist genau das der Punkt, an dem Spiritualität und Verantwortung sich treffen. Ich glaube nicht, dass das Universum mich bestrafen wollte. Ich glaube, es wollte mich aufwecken. Ich bin aufgewacht.

Unser Universum ist ein phantastischer Ort!

Ich empfinde keine Wut, keine Reue, keine Angst. Nur diese tiefe Gewissheit, dass das alles – so absurd es klingt – richtig ist. Ich hätte diese Krankheit nie freiwillig gewählt - aber ich bin dankbar, dass sie da ist. Denn ohne sie wäre ich nie zu mir selbst gegangen.

Fazit

Ich führe keinen Kampf gegen den Krebs. Ich führe ein Leben mit dem Krebs. Und das bedeutet nicht, dass ich aufgegeben habe – sondern dass ich endlich angefangen habe.

Wie gehst du dein Leben an? Lass mich und alle Leser daran teilhaben. Lass uns von dir lernen und schreibe es bitte in die Kommentare.


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